Augsburger Bischof Bertram zum Jahresschluss: „Kirche = Welt: Eine Gleichung, die nicht aufgeht“

Zum Ende des Jahres hat der Augsburger Bischof Dr. Bertram Meier den vom emeritierten Papst Benedikt XVI. geprägten Begriff der „Entweltlichung“ aufgegriffen und neu interpretiert. „Die Kirche darf sich nicht aus der Weltverantwortung stehlen, sie darf sich nicht vor der Welt drücken“, so der Bischof bei der Jahresschlussandacht im Augsburger Dom. Aber: „Kirche ist gleich Welt; Welt ist gleich Kirche: Diese Gleichung geht nicht auf.“

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Foto: Wolfgang Czech

Denn wo Kirche und Welt ineinander aufgingen, machten sie sich verzichtbar. Bischof Bertram: „Wenn die Welt von der Kirche dominiert wird, besteht die Gefahr des Gottesstaates, der Theokratie. Und wenn die Kirche von der Welt verschluckt wird, ist sie stromlinienförmig; auf Dauer macht sie sich überflüssig. Sie hat ausgedient.“

Das Wort der Entweltlichung der Kirche hatte der damalige Papst Benedikt XVI. bei seinem Deutschlandbesuch 2011 in Freiburg benutzt und damit vielfältige, auch kontroverse Reaktionen hervorgerufen. Manchmal nütze es, so Bischof Bertram, „ein Wort aus einer gewissen Distanz heraus neu zu lesen und besser zu verstehen. Wenn wir von der Entweltlichung der Kirche sprechen, dann ist damit weder eine weltfremde noch eine weltvergessene Kirche gemeint. Im Gegenteil: Unser Ziel muss sein, als Salz und Sauerteig in die Welt hinein zu wirken. Das bedeutet: Die Bereitschaft, sich zu distanzieren, ist Voraussetzung dafür, sich profiliert zu engagieren. Das Wort, das Paulus an die Römer schrieb, ist also aktueller denn je: ‚Gleicht euch nicht dieser Welt an!‘ (Röm 12,2) Martin Luther übersetzt plastisch: ‚Stellt euch nicht dieser Welt gleich!‘“

Der Bischof zitierte auch den ehemaligen EKD-Ratsvorsitzenden Wolfgang Huber, der davor gewarnt hatte, die christlichen Glaubensgemeinschaften in Westeuropa könnten sich selbst säkularisieren, und die Kirchen aufgefordert hatte, ihre besondere religiöse Kompetenz entschiedener zur Geltung zu bringen.

Im Hinblick auf den Synodalen Weg warb der Bischof um die Bereitschaft zur Versöhnung: „Veränderung gelingt nur, wenn sie sich paart mit einem Weg der Versöhnung. Der Synodale Weg begann mit dem Schock über die schweren Verletzungen, die kirchliche Verantwortungsträger ihnen anvertrauten Menschen zugefügt hatten. Gemeinsam sind wir vor drei Jahren in Frankfurt gestartet mit dem Ziel: Nie wieder! Seitdem gab es auch unter uns Verwerfungen und Verwundungen. Doch synodale Kirche geht nur, wenn wir einander verzeihen, wenn unser Verhalten getragen ist von Wohlwollen und Respekt. Sonst ist es mit unserer Stimmung wie mit der Weihnachtsbeleuchtung: Ich schalte sie ein und schalte sie ab – je nach Bedarf. – Wir sind in einer ‚synodía‘, in einer Reisegesellschaft. Wohin die Reise geht – in Deutschland und in der Welt, das hängt auch davon ab, wie groß unsere Versöhnungsbereitschaft ist.“