Das Augsburger Brechtfestival erfindet sich neu und wird zum Spektakel

Zwei Spektakel-Ereignisse am Freitag 14.2. und Samstag 22.2. stehen im Zentrum des Programms des Augsburger Brechtfestival . Der martini-Park wird zum Brecht-Jahrmarkt mit vielen Bühnen und insgesamt über 20 Beiträgen. Corinna Harfouch performt mit der Band Die Tentakel von Delphi Exilgedichte, Lars Eidinger kratzt mit seiner Version von Brechts Hauspostille an den Rändern des Asozialen, die Regisseurin Kalliniki Fili haucht einem vielstimmigen Text von Lothar Trolle Leben ein – das alles und noch viel mehr gibt es bei »Spektakel Vol.1« und »Spektakel Vol.2« zu entdecken. Brechts Leidenschaft für den Augsburger Plärrer ist literarisch verbürgt. Also darf eines beim Spektakel nicht fehlen – ein Riesenrad. Und selbstverständlich wird auch dies zur Bühne: »Brechts Big Wheel«.Brecht20 Logo 4C Datum

Trotz aller Wildheit, Spektakel-Spaß und Marktschreierei: Auf inhaltlicher Ebene geht das Festival ganz im Geiste seines Namensgebers in die Tiefe. Mit teils selten gehörten Texten von Brecht und Heiner Müller ¬– Gedichten, Lehrstücken, Hörspielen – legt es das Ohr auf die Gleise der Geschichte: lauschend, laut nachdenkend, Fragen stellend. Krieg und Kalter Krieg, Osten und Westen, Heute und Morgen, Theorie und Praxis – all das umkreist das Brechtfestival.

18 Neuproduktionen, mehr als jemals zuvor, gehören zum Programm und sind erstmals und exklusiv in Augsburg zu erleben. Darunter zwei internationale Koproduktionen sowie weitere Beiträge von prominenten Künstlern und Künstlerinnen wie den Schauspieler*innen Charly Hübner, Milan Peschel, Kathrin Angerer und dem Satiriker Martin Sonneborn.

Im Rahmen des Eröffnungsabends am 14.2. gibt es auf der Bühne im martini-Park ein Gastspiel des Schauspiels Hannover: Heiner Müllers »Der Auftrag« in der Inszenierung von Tom Kühnel und Jürgen Kuttner mit Corinna Harfouch u. a. ist beim Brechtfestival zum allerletzten Mal überhaupt zu sehen.

Kongress am Park wird zur Bühne für die »Lange Brechtnacht«

2020 konzentriert sich die »Lange Brechtnacht« erstmals auf einen Ort. Im Kongress am Park geht es am 15.2. mit der Popkultur-Rakete auf zu neuen Sphären. Auf drei Bühnen spielen The Notwist, Fatoni, Gisbert zu Knyphausen, Voodoo Jürgens, Shari Vari und Banda Internationale feat. Bernadette La Hengst. Die Band The Cold War mit Augsburger Künstler*innen formiert sich exklusiv für das Brechtfestival.

Ein spektakuläres abwechslungsreiches Programm

Das Staatstheater Augsburg ist wieder Kooperationspartner und in der diesjährigen Ausgabe des Festivals besonders produktiv. Auch eine Uraufführung gehört dazu: Die mehrsprachige Zusammenarbeit mit den Städtischen Bühnen Prag »Švejk / Schwejk« in der Regie von Armin Petras feiert am 21.2. Premiere.

Eine weitere, transnationale Ost-West-Zusammenarbeit ist die »Lehrstückzentrale«. Die Augsburger Theaterensembles Theter und Bluespots Productions arbeiten mittels moderner Kommunikationstechnik über tausende Kilometer hinweg zwischen New York, Augsburg und St. Petersburg mit dem Regisseur Oleg Eremin und der Regisseurin Alice Bever an Brecht- und Müller-Texten und geben beim Festival Einblicke in den Arbeitsstand und ihre Erfahrungen.

Mit »Kosmos Heiner Müller« präsentiert das Festival vom 18.–21.2. eine Reihe ausgewählter Hörspiele im S-Planetarium mit Einführungen namhafter Experten. Die Filmreihe »Von Hollywood nach Buckow« im Liliom Kino zeigt vom 19.–21.2. Brecht als Drehbuchautor, Regisseur und als Protagonist eines fiktionalisierten Künstlerporträts.

Ihre 2015er Inszenierung »Eisler on the Beach« vom Deutschen Theater Berlin verdichten die Regisseure Tom Kühnel und Jürgen Kuttner exklusiv für das Brechtfestival zu dem Liederabend »Eisler: Wir, so gut es gelang, haben das Unsre getan«. Mit Berlinale-Filmpreisträgerin Maren Eggert, dem Schauspieler Ole Lagerpusch und den Pauken und Trompeten der Bolschewistischen Kurkapelle Schwarz-Rot aus Berlin geht das Brechtfestival 2020 musikalisch zu Ende.

Neu: Early-Bird-Ticket bis 31.12. und weitere Angebote

Der Kartenvorverkauf für das Brechtfestival 2020 beginnt am 16.12.2019. Erstmals gibt es günstige Tickets für Brechtfestival-Fans, die sich besonders viel anschauen möchten. Wer Karten für beide Spektakeltage kauft, bekommt diese bis zum 31.12. zum »Early-Bird-Preis« von 45 Euro, ermäßigt 40 Euro (statt 2 x 30, ermäßigt 25 Euro). Das »Early-Bird-Kosmos-Ticket« umfasst alle 4 Heiner Müller Hörspieltermine für 23 Euro (statt 4 x 18 Euro bzw. ermäßigt 12 Euro). Wer das Gastspiel von »Der Auftrag« am 14.2. oder die Staatstheater-Produktion »Švejk / Schwejk« am 22.2. anschaut, bekommt das Spektakelticket des jeweiligen Tages zum Preis von 15 Euro (statt 30 Euro, ermäßigt 25 Euro). Weitere Infos zu Ermäßigungen und zum Kultursozialticket gibt es im Programmheft (S. 52–53).

»Wir brauchen einen Verunsicherungsbrecht« – Festival im Spektakelmodus

Alles gleichzeitig statt brav nacheinander: Das ist das Brechtfestival im Spektakelmodus. An mehreren Orten im martini-Park und mit außergewöhnlichen Entdeckungen aller Genres. Theater, Lesungen, Konzerte, Performances: Auf dem Außengelände, in den Hallen B13 und C1 und in der Kantine 1832 gibt es am 14.2. und 22.2. mit einem Ticket »Brecht für Alle«.

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Die künstlerische Leitung: Tom Kühnel & Jürgen Kuttner | Foto: Fabian Schreyer

»Wir wollen Sachen bieten, die eben in der Art und Weise tatsächlich nur in Augsburg stattfinden und mit Brecht zu tun haben. Ein Großteil dessen, was da zu sehen sein wird, gab es vorher noch nicht. Das sind schnelle, kleine, interessante Produktionen, die sich entweder aus Ideen ergaben, die wir für bestimmte Schauspielerinnen oder Schauspieler hatten, für die wir nach Texten gesucht haben, die noch nicht so intensiv behandelt worden sind, von denen wir aber glauben, dass sich eine Beschäftigung lohnt.«

Die Idee der künstlerischen Leiter Tom Kühnel und Jürgen Kuttner ist es, im Hit & Run-Modus zu produzieren, d.h. die Künstler*innen stellen sich der Herausforderung, ohne großen Vorlauf und mit wenig Proben eine Sache live zu präsentieren. Diese Arbeitsweise hat nicht nur einen ganz eigenen Charme, sie passt auch zu Brechts Idee, dem großen Tanker Theater »kleine wendige Truppen« beiseite zu stellen.

»Da sind wir selber gespannt drauf. Das ist jetzt nicht so, dass wir Seiltänzer sind und das Netz hängt `nen halben Meter drunter. Da kann man auch abstürzen. Aber das gehört ja, finde ich, zum Kunst machen sowieso dazu. Wenn’s nicht irgendwie auch ein Risiko beinhaltet, dann isses ja langweilig. Wir brauchen ja keinen Versicherungs-Brecht, sondern eher einen Verunsicherungs-Brecht. Für die Künstler, für die Zuschauer und für uns.«