„Ich werde mich weiter aktiv einbringen!“ | Stadträtin Margarete Heinrich nach ihrem überraschenden SPD-Austritt im Interview

Margarete Heinrich über viele Jahre war die Augsburger SPD untrennbar mit ihrem Namen verknüpft. Vor 18 Jahren wurden sie erstmals für die Sozialdemokraten in den Stadtrat gewählt. Jetzt sind sie aus Partei und Fraktion ausgetreten, was waren die Gründe? Presse Augsburg hat nachgefragt.

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Margarte Heinrich und die SPD gehen getrennte Wege | Foto: Wolfgang Czech

Was führte aus ihrer Sicht zum Bündnis „ihrer“ SPD mit den Linken? Aus dem Umfeld der SPD kam nach Bekanntgabe der Zusammenarbeit auch das Wort „Selbstaufgabe“ auf.  Auch von einem „reinen Machterhalt“ war die Rede. Wie weit liegt man mit diesen Worten richtig?

Die Worte Machterhalt und Selbstaufgabe wurden mir auch von einigen Personen zugetragen, die diesen eingeschlagenen Weg nicht verstehen. Aber die offizielle Erklärung der SPD-Spitze warum sie diesen Weg einschlägt, ist ja hinlänglich bekannt und ich werde dies nicht weiter kommentieren.

Wie sehen Sie die Chancen, dass dieses Bündnis über die gesamten kommenden sechs Jahre Bestand haben wird?

6 Jahre können wie im Fluge vergehen. Es wird sehr schwierig werden, in einem Oppositionsbündnis seine eigene Authentizität zu bewahren. Und diese Erkenntnis wird kurz vor den nächsten Wahlen zur brutalen Realität werden

Wie sehen Sie den Weg der SPD im Allgemeinen? War die „Causa Augsburg“ nicht nur das, was sich aufgrund der schwachen Wahlergebnisse und Umfragewerte (17% in der Sonntagsfrage zur Bundestagswahl) in der gesamten Republik immer weiter abzeichnete? Befürchten Sie, dass Ihre ehemalige Partei auch im gesamten auf einen Zusammenschluss der „roten Parteien“ zusteuert?

Die SPD ist geprägt mit einer über 150 jährigen Geschichte. Und sie war für mich immer Vorbild für ihre demokratische Standhaftigkeit und der sozialen Gerechtigkeit. Ich würde es sehr bedauern, wenn diese Alleinstellungsmerkmale in einer „Fusion“ verloren gingen. In Zeiten von Corona haben Scholz und Giffey vieles umsetzen können. Ich sehe die SPD nach wie vor als Volkspartei und der Mittelstand unserer Gesellschaft erwartet Antworten. Denn genau dieser Mittelstand, der klassische Arbeitnehmer oder kleine Unternehmer wirft der Politik vor, dass er nur noch als lukrative Steuereinnahmequelle wahrgenommen wird. Das sind meine persönlichen Erfahrungen aus vielen Gesprächen. Darin sehe ich nach wie vor die Chancen einer eigenständigen SPD diese Menschen, die unsere Leistungsträger sind, zu erreichen, zuzuhören und zu unterstützen.

„Eine Entscheidung der SPD-Spitze, die ich nicht mittragen möchte“

Die Familie Heinrich war durch Ihren Vater Horst und sie eine der prägendsten in der Augsburger Sozialdemokratie, die Entscheidung auszutreten muss bei Ihnen große Emotionen geweckt haben. Ist es mehr Wut oder Enttäuschung?

Die Familie Heinrich ist über mehrere Generationen hinweg geprägt von der SPD und wir haben uns die gemeinsame Entscheidung wahrlich nicht leicht gemacht. Aber drei Generationen sind nach langen und intensiven Gesprächen zum gleichen Entschluss gekommen (Anmerkung: Auch Heinrichs Mutter und die Töchter sind bei der SPD ausgetreten). Ich empfinde keine Wut. Es ist eine Entscheidung innerhalb der SPD-Spitze getroffen worden, die ich nicht mittragen kann und ich mich deshalb zu diesem Schritt entschieden habe. Auch das ist Demokratie und fordert die gegenseitige Akzeptanz der differenzierten Meinungen.

In wie weit haben frühere Ereignisse, wie der Wechsel von Ihnen zu Florian Freund in der Fraktionsspitze auf Ihre Entscheidung eingezahlt?

Die Vergangenheit spielt bei gewissen Entscheidungen immer eine Rolle, ist aber nicht relevant.

„Ich werde mich weiter aktiv einbringen!“

Sie gehören künftig als Einzelstadträtin dem Augsburger Stadtrat an. Über Jahre hinweg haben Sie die Geschicke der Stadt in Ausschüssen und zeitweise als Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten aktiv mitgestaltet. Als Einzelstadträtin wäre dies vorbei. Sie sind eine Frau, die sich aber aktiv einbringen möchte. Wie wäre dies mit der neuen Rolle vereinbar und ist es denkbar, dass man Sie sich einer Ausschussgemeinschaft anschließen?

Ich habe derzeit nicht vor einer anderen Fraktion oder Ausschussgemeinschaft beizutreten. Und wer mich kennt, weiß dass ich mich weiterhin aktiv einbringen werde, auch wenn sich die Rahmenbedingungen geändert haben.

Aus der CSU heraus gab es vor ein paar Jahren mit der CSM eine Neugründung. Ist für Sie so etwas für die Sozialdemokratie in Augsburg auch vorstellbar oder gar angestrebt?

Wie bereits erwähnt, es gibt nur eine SPD.

Die kommende Amtszeit, ihre vierte, bricht am 1. Mai offiziell an. Nun in einer ganz anderen Rolle, in einer ganz anderen Situation. Was muss in diesen kommenden 6 Jahren in Augsburg passieren, damit Sie sagen können, es waren gute Jahre? Was müsste bei der SPD passieren, damit Sie versöhnlich auf ihre alte Partei blicken können?

Kommende Einschnitte werden zur Belastungsprobe

Mir hat ein kluger Freund gesagt, Parteien und Vereine haben Bestand, nur die Menschen, die damit verbunden sind, wechseln. Das gilt auch für die SPD. Und ich empfinde auch keinen Groll. Die größten Herausforderungen der kommenden 6 Jahre werden die Folgen der Corona-Krise sein. Daher wird der politische Wunschzettel sehr klein bleiben. Denn die Menschen erwarten Antworten und Lösungen für die Probleme, die auf uns alle zukommen werden. Die kommenden Einschnitte, ob im beruflichen, familiären oder sozialen Bereich werden zur Belastungsprobe

Zum Abschluss noch zwei Fragen rund um die Personalien der SPD: In wie fern hat es Sie in Ihrer Entscheidung bestärkt, dass möglicherweise mit Stefan Kiefer ein langjähriger Mitstreiter ebenfalls „ausschert“? Er wird ja möglicherweise weiter als Sozialreferent in der schwarzgrünen Referentenriege verbleiben. Und welche Rolle spielt die Parteispitze um Ulrike Bahr samt Umfeld bei Ihrer Entscheidung?

Zu beiden Fragen: Ich werde derzeit keine persönlichen Bewertungen über Personen aus dem SPD-Umfeld abgeben.

Margarete Heinrich, vielen Dank für Ihre Zeit und viel Erfolg für die anstehenden Aufgaben.

Die Fragen stellte Presse Augsburg-Redaktionsleiter Dominik Mesch