Löw-Abschied | „Er muss nicht mehr einen Jugendpreis gewinnen, sondern einen Erfolgspreis und da muss ihm jedes Mittel recht sein.“

Uli Hoeneß, Ehrenpräsident des FC Bayern und neuer TV-Experte der WM-Qualifikationsspiele im März bei RTL, hat im exklusiven Interview gegenüber der RTL/ntv-Redaktion zum Stand der DFB-Elf sowie zum Rücktritt von Joachim Löw erstmals in seiner neuen Rolle im Kölner Sender ausführlich Stellung bezogen. So verrät Uli Hoeneß von der überraschenden Rücktrittsankündigung bereits im persönlichen Telefongespräch am Montagmorgen von Joachim Löw informiert worden zu sein.

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„Er hat gesagt, er und sein Team habe beschlossen, dass dies die letzte EM ist und im Laufe des Gesprächs hatte ich immer mehr das Gefühl, dass es eine gute Entscheidung ist, dass er wie erleichtert wirkte, er war total entspannt“, berichtet der 69-Jährige. Der Druck einer eventuellen Entlassung sowie der Öffentlichkeit sei von dem Bundestrainer gefallen, der nun mit voller Konzentration die EM im Sommer in Angriff nehmen könne. Laut dem ehemaligen Manager sei auch der Zeitpunkt des Bekanntwerdens ideal gewählt: „Man kann sich jetzt richtig Zeit lassen und das ist der Idealfall für einen Verein und auch für einen Verband, wenn man eine Position von dieser Qualität aussuchen muss.“

Die Zukunft der deutschen Nationalelf sieht Uli Hoeneß zwar positiv, findet aber klare Worte über das Ausscheiden in Russland: „Ich finde auch, dass da die Disziplin überhaupt nicht gestimmt hat, dass da viele mehr darüber nachgedacht haben, wie viele Videospiele nehme ich mit und wie viele Friseure lasse ich ins Trainingslager einfliegen, als über den Gegner nachzudenken.“ Leistungen der deutschen Mannschaften in den internationalen Wettbewerben machten jedoch Mut, dass der deutsche Fußball viel Potenzial entfalten könne. Es müsse so deutlich „mit dem Teufel zugehen, wenn man aus diesen drei, vier großen Vereinen nicht eine gute Nationalmannschaft wieder zusammenstellen kann.“

Das Aus von Joachim Löw werde zudem neue Kräfte innerhalb der Mannschaft auslösen: „Ich glaube, dass die Entscheidung von Jogi Löw sich sehr positiv auswirken wird, weil jetzt die Spieler unter Druck sind. Die Spieler müssen wissen dieses Alibi, der Trainer ist es schuld oder der Trainer ist unter Druck, das ist jetzt weg. Ich habe das Gefühl, weil alle unsere Spieler einen guten Charakter haben, werden sie Jogi Löw jetzt einen guten Abschied bescheren wollen.“ Eine ähnliche Situation habe Hoeneß nach der Bekanntgabe von Pep Guardiola beim FC Bayern erlebt, die seitens der Spieler zu einer Solidarisierung mit Jupp Heynckes geführt habe.

Bezüglich der Ausbootung der ehemaligen Weltmeister Thomas Müller, Jerome Boateng und Mats Hummels sieht der neue Länderspiel-Experte eine Umkehr von Löw voraus. „Jetzt braucht er nichts mehr aufbauen. Er möchte eine erfolgreiche Mannschaft übergeben und das Argument, die erfahrenen, älteren Spieler da nicht mehr zu berücksichtigen, ist weg“, so Hoeneß und ergänzt: „Er muss nicht mehr einen Jugendpreis gewinnen, sondern einen Erfolgspreis und da muss ihm jedes Mittel recht sein.“