Ministerpräsident Söder macht sich an der Uniklinik Augsburg vor Ort ein Bild der Lage

Ein Virus, zwei Wellen. Und es steht fest, dass sich beide eklatant voneinander unterscheiden. In der ersten Welle war die Spitze bei 43 Covid-19-Patienten erreicht, Stand heute, Donnerstag, 19. November, werden am UKA 131 Covid-19-Patienten behandelt, inklusive Verdachtsfälle und 36 intensiv-medizinisch behandelte Covid-Patienten. Schon nach der ersten Woche der zweiten Welle wurde das Stufenkonzept des UKA auf Stufe 5 angepasst. Das bedeutet massive Umstrukturierungen auf den Stationen und beim Personal. Es gibt Stand heute 46 Todesfälle in Augsburg, 22 allein in den letzten zehn Tagen. Das Virus ist ansteckender und pathogener, salopp ausgedrückt heißt das, Patienten der zweiten Welle werden viel kränker als Patienten der ersten Welle.

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Foto: UKA

Dies waren die Kernbotschaften, die der Ärztliche Direktor und Vorstandsvorsitzende des UKA, Prof. Dr. Michael Beyer, an Ministerpräsident Dr. Markus Söder adressierte. Söder war heute ans UKA gekommen, um sich in der von Corona besonders gebeutelten Stadt Augsburg vor Ort ein Bild von der Lage zu machen. Und das sieht einigermaßen bedrohlich aus.

Beyer: „Wir müssen alle medizinischen Register ziehen, um der Lage Herr zu werden“

„Wir müssen alle medizinischen Register ziehen, um der Lage Herr zu werden“, sagte Beyer. Es wurden 150 Covid-Betten auf sechs Normalstationen realisiert. Insgesamt wurden 342 Betten in fünf Stufen umgewidmet. Der Covid-Personalschlüssel ist deutlich höher als der ohne Corona. Das Elektiv-Programm wurde beinahe auf null heruntergefahren. „Es ist eine unglaubliche Bewegung im Haus, um die Covid-Patienten behandeln zu können“, so Beyer, da sich auch Mitarbeiter ansteckten oder Kontaktperson 1. Grades seien. „Im Moment haben wir noch einen Puffer, weil wir stabile Patienten abverlegen können. Aber auch die Häuser im Rettungsdienstbereich Augsburg und die außerhalb des Rettungsdienstbereiches laufen langsam zu.“ Es gebe Tage, an denen der Turn over von Covid-Patienten schon mal 48 Patienten am Tag betrage.

Bei allem Druck, unter dem das System steht: „Ich bin stolz, hier am UKA Ärztlicher Direktor sein zu dürfen“, sagte Beyer. „Ich habe 35 Jahre Berufserfahrung, aber was ich hier an Solidarität unter den Mitarbeitern erlebe, um die Krise zu meistern, ist unglaublich.“

Söder dankte Beyer stellvertretend für alle anderen Mitarbeiter des Krankenhauses, „welche unglaubliche Arbeit ihr hier leistet“. Der Ministerpräsident zeigte sich angesichts des mitunter unsensiblen Umgangs mit den Corona-Todesfällen „empört“. Das dürfe nicht zum Grundsatz werden. Wenn es gelänge, „das Ding auszukurieren, bis ein Impfstoff da ist“ und es dann gelänge, alle Risikogruppen zu impfen, dann könne man von einer gewissen Entspannung ausgehen und die Überlastung des Gesundheitssystems vermeiden.

Covid-Patienten haben mit Langzeitschäden zu kämpfen

Beyer schilderte auf Nachfrage, womit invasiv beatmete Covid-Patienten nach der Genesung zu kämpfen hätten: „Neuropathien, Gerinnungsstörungen, Mikroembolien, massive Lungenschädigungen. Da passiert ein Gewebeumbau, der nicht mehr gut für den Gasaustausch ist. Das sind de facto Langzeitschäden.“ Hinzu kämen neurologische Probleme, Probleme mit der Psyche. „Die Patienten gehen anders raus, als sie reingekommen sind.“

Oberbürgermeisterin Eva Weber erklärte, die Stadt habe die Zahl der Mitarbeiter des Gesundheitsamtes massiv aufgestockt. Ein Teil davon betreibe Ursachenforschung, warum es Augsburg in der zweiten Welle so besonders hart getroffen habe. Diese Daten würden dann einem Forscherteam rund um Prof. Dr. Axel Heller zugeleitet, Chef-Anästhesist am UKA und Ärztlicher Leiter Krankenhaus-Koordinierung im Rettungszweckverband.

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Foto: UKA

Auf die nicht mehr nachvollziehbaren Infektionsketten angesprochen, sagte Beyer: „Das Virus prosperiert durch menschliche Nähe.“ Es seien nicht die Kindergärten oder Grundschulen, die nicht zuletzt wegen des Personals an Krankenhäusern offenbleiben sollten. „In diesen Einrichtungen haben wir ja die Kontrolle über das Infektionsgeschehen.“ Es seien eher die Partys in schlecht gelüfteten Räumen mit viel Alkohol und Kontakt.

Dr. Georg Braun, Intensivmediziner auf einer drei Covid-19-Intensivstationen, schilderte den teils schweren Verlauf bei invasiv und nicht-invasiv beatmeten Patienten. „Und die sind nicht alle über 80“, so Braun. Vor zehn Tagen habe er einen Patienten mit Jahrgang 1970 aufgenommen, der invasiv beatmet wurde und gestern einen Luftröhrenschnitt bekam, um ihn besser von der Beatmung entwöhnen zu können. „Er wird noch lange unter den Folgen seiner schweren Erkrankung zu leiden haben“, so Braun.

Einen positiven Aspekt sieht Pflegedirektorin Susanne Arnold aber dann doch in der Krise: „Die Krankenhausstruktur hat sich verändert. Wir bauen um, wir ziehen um, wir widmen um, alles, um die Covid-Patienten gut behandeln zu können.“ Und dabei helfe jeder Mitarbeiter mit. Auch die einzelnen Berufsgruppen rücken angesichts der Krise sehr eng zusammen.

An dem Treffen nahmen außerdem teil Wissenschaftsminister Bernd Sibler und Staatssekretär Klaus Holetschek.

Ines Lehmann