Missbrauchsvorfälle im Kinderheim Reitenbuch – Projektgruppe bittet um Hilfe bei der Aufklärung

Im vergangenen Dezember ist durch Diözesanadministrator Prälat Dr. Bertram Meier eine Projektgruppe zur Aufarbeitung der Missbrauchsvorfälle im Kinderheim Reitenbuch eingesetzt worden. Diese ereigneten sich zwischen 1950 und 1985. Vor Medienvertretern lud die Projektgruppe heute mit einem öffentlichen Aufruf ehemalige Heimkinder ein, von ihrer Leidensgeschichte zu berichten. Geleitet wird die Gruppe von Elisabeth Mette, ehemalige Präsidentin des Bayerischen Landessozialgerichts. „Der Auftrag der Projektgruppe besteht darin, die Fälle körperlicher und sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen im Josefsheim Reitenbuch und gegebenenfalls auch im Marienheim Baschenegg vorbehaltlos aufzuklären“, erläuterte Mette.Josefsheim Reitenbuch

Die Projektgruppe wurde im Einvernehmen mit dem Vorsitzenden der Christlichen Kinder- und Jugendhilfe e.V. (CKJ), Diözesan-Caritasdirektor Dr. Andreas Magg, errichtet. Beide Einrichtungen befinden sich im Landkreis Augsburg und in Trägerschaft der CKJ. Elisabeth Mette als Leiterin der Gruppe zur Seite stehen mit Manfred Prexl (Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht München a.D.) und Dr. Bernhard Koloczek (Richter am Bundessozialgericht a.D.) zwei weitere Juristen sowie Prof. Dr. Gerda Riedl, Leiterin der Hauptabteilung VI – Grundsatzfragen im Bischöflichen Ordinariat.                                    

Ziel der Projektgruppe sei es, mit der Aufklärung der Vorfälle die Grundlage für deren umfassende Aufarbeitung, für die Etablierung einer Erinnerungskultur und für Prävention, mithin für verbesserten Schutz von Kindern und Jugendlichen zu schaffen, so Mette. „Zu diesem Zweck richtet sich der heutige Aufruf an alle ehemaligen Heimkinder, die in der Zeit von 1950 bis vornehmlich 1985 Leid und Unrecht erfahren haben und darüber berichten können und wollen.“ Die Zusammensetzung der Projektgruppe böte den Betroffenen einen vertraulichen und sicheren Rahmen, in dem sie angehört würden und auch verjährtes Unrecht mitteilen könnten.

Über Umfang und Herausforderung der bevorstehenden Arbeit hat die Juristin klare Vorstellungen: „Untersucht werden sollen Art, Ausmaß, Ursachen, Konstitutionsbedingungen und Folgen von körperlicher und/oder sexueller Gewalt. Versäumnisse und strukturelle Missstände der Vergangenheit, die dieses Unrecht ermöglicht und deren Aufarbeitung verhindert haben, sollen im Einzelnen benannt werden. Tatsachen sollen aufgedeckt, Verantwortlichkeiten identifiziert und Wege zur Anerkennung des Unrechts aufgezeigt werden.“ Da die aufzuklärenden Vorfälle weit in der Vergangenheit lägen, sei für das Gelingen des Projekts neben den Anhörungen der Betroffenen ebenso wichtig, das einschlägige Archivmaterial zu sichten. „Hierzu ist die Kooperation der betroffenen Einrichtungsträger sowie der Diözese unabdingbar“, so Mette.

Als Vertreter des Trägervereins sicherte Diözesan-Caritasdirektor Magg seine Unterstützung bei der Aufarbeitung zu. Seitens der Christlichen Kinder- und Jugendhilfe werde die Arbeit der Projektgruppe „vollumfänglich und vorbehaltlos mit dem Ziel unterstützt, eine transparente, ehrliche und konsequente Aufarbeitung aller Missbrauchsvorwürfe zu erreichen“. Dass die bekanntgewordenen Missstände, die ihre Ursachen auch in den aus heutiger pädagogischer Perspektive unmenschlichen Rahmenbedingungen in der Heimerziehung hatten, nicht früher thematisiert wurden, sei ein schweres Versäumnis gewesen, räumte der Vereinsvorsitzende Magg ein. Für jegliche Form von erfahrener körperlicher und sexueller Gewalt wolle er die Betroffenen deshalb um Vergebung bitten.

Für das Bistum Augsburg bedankte sich Diözesan-Rechtsdirektor Reiner Sroka, Leiter des Arbeitsstabs zur Behandlung von Missbrauchsfällen, bei den Mitgliedern der Projektgruppe, dass sie sich für diese wichtige Aufgabe zur Verfügung gestellt hätten. Mit den Mitgliedern sei gewährleistet, dass die Aufklärung fachkundig, objektiv und in jeder Hinsicht unabhängig erfolge, so Sroka. „Die Aufklärung ist wichtig. Den Missbrauchsbeauftragten der Diözese Augsburg sind seit dem Jahr 2010 inzwischen Hinweise in Bezug auf 16 betroffene ehemalige Bewohner des Kinderheims Reitenbuch vorgetragen worden.“ Diese umfassen körperliche Gewalt wie auch sexuellen Missbrauch. Von den Betroffenen seien 15 Personen männlich und eine weiblich. Seitens der Diözese hätten acht Betroffene sogenannte Leistungen in Anerkennung des erlittenen Leids in Höhe von 73.000 Euro erhalten.

„Die Vorfälle werden von den Betroffenen in Zusammenhang gebracht mit den in diesem Zeitraum im Kinderheim tätigen Ruhestandsgeistlichen und Ordensschwestern, aber auch mit sonstigen im Kinderheim beschäftigten Personen und auch mit Personen von außerhalb des Heims“, ging der Diözesan-Rechtsdirektor auf die beschuldigten Täter ein.  

 

Betroffene können sich unter Angabe von Name und Adresse richten an:

Projektgruppe Aufklärung Josefsheim Reitenbuch | Fronhof 4 86152 Augsburg | projektgruppe.reitenbuch@bistum-augsburg.de | Telefon: 0821 3166-8393

Unabhängig davon stehen die beiden externen Missbrauchsbeauftragten als Ansprechpartner zur Verfügung:

 

Frau Brigitte Ketterle-Faber | Rechtsanwältin Fachanwältin für Familienrecht
Fachanwältin für Erbrecht

Schaezlerstr. 17
86150 Augsburg
Tel.: 0821 907 692 00
Fax: 0821 907 6920 29
E-Mail: kanzlei@faber-faber.de

Herr Michael Triebs | Richter i.R. am Oberlandesgericht München

Tel.: 0821 3166-8393
E-Mail: michael.triebs@missbrauchsbeauftragter.bistum-augsburg.de