Entscheidung steht bevor |  SPZ der Hessing Stiftung wird im Berufungsausschuss verhandelt

Die Zulassung für das Sozialpädiatrisches Zentrum (SPZ) der Hessing-Stiftung wurde kurzfristig und überraschend zum vergangenen Jahreswechsel nicht mehr verlängert. Seit dem 1. Januar kann das Hessing Förderzentrum für Kinder und Jugendliche (HFZ) keine SPZ-Leistungen mehr anbieten. Jetzt wird in einem Berufungssausschuss zum Thema verhandelt.
Annie Vor Dem Sozialpaediatrischen Zentrum Hfz
Annie ist fünf Jahre alt und kam mit dem extrem seltenen Gendefekt „GRIN1“ auf die Welt. Ihre Mutter Daniela Sauer-Meyer hat zusammen mit anderen Eltern eine Petition im Bayerischen Landtag eingereicht: Sie kämpfen für den Erhalt des Sozialpädiatrischen Zentrums der Hessing-Stiftung.
Die spontan gegründete Interessensgemeinschaft SPZ Augsburg hat eine Petition im Bayerischen Landtag eingereicht und hat bisher über 2.450 Unterschriften gegen die Schließung gesammelt.
 
Online kann die Petition weiterhin unterzeichnet werden: www.openpetition.de/spzaugsburg. Hier wird das aktuelle Stimmungsbild deutlich.
 
Als die Petition am 9. März im Ausschuss für Gesundheit und Pflege des Bayerischen Landtages verhandelt wurde, hatte MdL Helmut Radlmeier (CSU) das Thema vorgetragen. Er hielt es nach eigenen Worten in der Praxis für nicht umsetzbar, einen Trägerwechsel innerhalb von zwei Wochen zu vollziehen, schon gar nicht während einer Pandemie. Dennoch wurde den betroffenen Eltern in den vergangenen Monaten keinerlei Übergangslösung angeboten. Kinder mit zum Teil schwersten Behinderungen sollten von heute auf morgen ihr ärztliches und therapeutisches Betreuer:innenteam wechseln und sollten sich um einen Platz beim neuen Augsburger SPZ-Träger bemühen, der KJF Klinik Josefinum.
Dass dieser Übergang in der Tat nicht reibungslos verlaufen sein kann, kommt in vielen der über 650 Kommentaren zum Ausdruck, die Betroffene und Mitstreiter:innen online unter die Petition geschrieben haben. So schrieb beispielsweise Christine Pfänder aus Augsburg im April: „Der Bedarf ist sehr groß. Eltern müssen zum Teil bis zu zehn Monate warten, bis sie einen Termin im Josefinum bekommen. Das kann und darf nicht sein. Wir brauchen das HFZ als SPZ, so wie wir auch das Josefinum brauchen. Nicht ‚entweder oder‘, sondern, ‚sowohl als auch‘.“
Auf diese Strategie setzt auch die Interessensgemeinschaft SPZ Augsburg. Zusammen mit dem Peutinger-Forum Augsburg haben Betroffene, Eltern und Mitstreiter:innen sich bei der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) und bei politischen Mandatsträger:innen dafür stark gemacht, dass es in Augsburg ein zweites Sozialpädiatrisches Zentrum geben müsste. Allein schon in der Stadt Augsburg mit ihren rund 300.000 Einwohner:innen sei aufgrund der Bevölkerungsstruktur und der damit verbundenen Quote sozial belasteter Familien ein hoher Bedarf an sozialpädiatrischer Versorgung gegeben. Gerade durch die Ausarbeitung des Peutinger-Forums Augsburg wurde deutlich, dass die bislang zugrunde gelegten Einwohnerzahlen in keinster Weise, den realen Bedarf widerspiegeln. Die Unterstützung des Peutinger-Forums hat die vorgelegte Petition sehr unterstützt und die politische Bearbeitung vorangebracht.
Christine Lüdke, Sprecherin der Interessensgemeinschaft SPZ Augsburg, sagt: „Wir befürchten, dass der Bedarf an sozialpädiatrischen Behandlungen in Folge der hohen Belastungen bei Kindern und Jugendlichen durch die Corona-Pandemie noch einmal steigen wird.“ Da die nächsten Sozialpädiatrischen Zentren außerhalb von Augsburg bis zu einer Stunde Fahrzeit entfernt liegen, müsse das Augsburger Einzugsgebiet weit gefasst werden. Zu den Augsburger Patient:innen-Zahlen kämen also noch jene aus den angrenzenden Landkreisen hinzu.
Im Ausschuss für Gesundheit und Pflege im Bayerischen Landtag wurde das Thema im März nicht einfach als erledigt abgelegt. Auch dort wartet man nun die Entscheidung ab, die der Berufungsausschuss der Kassenärztlichen Vereinigung voraussichtlich am 17. Juni fällen wird. Dieser Termin kommt zustande, da die Hessing Stiftung Widerspruch eingelegt hat gegen die vom Zulassungsausschuss im Dezember vergangenen Jahres getroffenen Entscheidung, ihr die Ermächtigung für ein SPZ nicht weiterhin zu erteilen.
Die Art und Weise, wie das ganz zustande kam, war auch im Gesundheitsausschuss missbilligend zur Kenntnis genommen worden. MdL Ruth Waldmann (SPD), sagte bei der öffentlichen Sitzung im März: „Das kann nicht der Standard sein. Noch im November hatte die KVB schriftlich bestätigt, dass sie die Arbeit der Hessing Stiftung gut finde und dann wird im Zulassungsausschuss plötzlich so ein Beschluss gefasst.“ Die Staatsregierung müsse schon einen Blick darauf werfen, dass die Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Beeinträchtigungen gut funktioniere. „Wir sollten die Hinweise, die wir bekommen haben, aufnehmen und dafür sorgen, dass solche Verfahren künftig anders laufen müssen“, so Waldmann wörtlich.
Das Prinzip der Selbstverwaltung dürfe auch nach Ansicht der Interessengemeinschaft SPZ Augsburg kein Freifahrtschein sein für eine Unterversorgung an Therapieplätzen im sozialpädiatrischen Bereich. Aber nicht nur aus Elternkreisen, auch unter Expert:innen, nämlich unter Kinder- und Jugendärzt:innen, wurden Stimmen laut, die die Versorgungssicherheit der Kinder in und um Augsburg bedroht sehen. Zum einen durch den abrupten Trägerwechsel, zum anderen aber auch durch einen steigenden Bedarf an Therapieplätzen.
Einen solchen Platz benötigt beispielsweise die Familie von Daniela Sauer-Meyer. Ihre Tochter wurde seit 2017 im SPZ des Hessing Förderzentrums betreut. Annie ist fünf Jahre alt und kam mit dem extrem seltenen Gendefekt „GRIN1“ auf die Welt. Sie leidet unter anderem an einer Statusepilepsie, Hüftdysplasie, ist extrem entwicklungsverzögert, kann nicht sprechen und kann auf Grund ihrer geistigen Behinderung auch nicht gebärden oder unterstützende Kommunikationshilfen benutzen. Daniela Sauer-Meyer sagt: „Ich habe durchweg nur positive Erfahrungen mit dem SPZ der Hessing Stiftung gemacht. Die behandelnde Ärztin, Dr. Susanne von Schoenaich, sei für die Familie die Rettung gewesen, medizinisch und auch psychisch. Annie wurde in jeder Hinsicht ganzheitlich betreut. Annies Mutter sagte anlässlich der Entscheidung des Zulassungsausschusses: „Für ein Kind, das an seine Therapeut:innen gewöhnt ist und aufgrund seiner geistigen Behinderung und autistischen Züge sich nur ganz schwer an neue Umfelder gewöhnt, ist eine Umstellung fatal.“ Ein jahrelanges Vertrauensverhältnis könne nicht einfach so von heute auf morgen ersetzt werden. Therapieerfolge könnten hiervon großen Schaden nehmen. Daher liegen nun auch alle Hoffnungen von Daniela Sauer-Meyer in einer Entscheidung des Berufungsausschusses zugunsten eines Sozialpädiatrischen Zentrums für die Hessing Stiftung.

Online-Petition der Interessensgemeinschaft IG SPZ Augsburg:

Die Interessensgemeinschaft IG SPZ Augsburg in den sozialen Medien:
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