Das Thema Hochwasserschutz muss in den Kommunen im Landkreis Augsburg endlich priorisierter behandelt werden. Hierin sind sich die Kreisrätinnen und Kreisräte bei der vergangenen Kreistagssitzung im Landratsamt einig.Hochwasser Feuerwehr

Landrat Martin Sailer hatte die Mitglieder vor Eintritt in die reguläre Tagesordnung unter anderem mit Bildern über die Hochwasserkatastrophe im Landkreis und den Einsatzablauf informiert. „Wir waren von Wassermassen betroffen, die wir so bei uns noch nie gesehen haben, weit über die HQ100-Werte hinaus. Das Wasserwirtschaftsamt hat am Schluss nur noch von einem Pegelstand 4+ gesprochen. Diejenigen, die sich mit den Wasserpegeln auskennen, wissen, dass eigentlich bei Meldestufe 4 Schluss ist“, so Sailer. Insbesondere kleinere Flüsse wie die Schmutter und die Neufnach waren am ersten Juniwochenende über die Ufer getreten und haben mit ihren Wassermassen zahlreiche Ortschaften im Landkreis überflutet.

Aus diesen Erfahrungen müssten alle politischen Ebenen nun die richtigen Lehren ziehen und gemeinsam mehr Tempo beim dezentralen Hochwasserschutz machen, betonte Staatsminister Dr. Fabian Mehring: „Auf Landesebene diskutieren wir seit Jahren über riesige Retentionsräume an der Donau. Die Hochwasser-Situation im Landkreis Augsburg hat uns aber eindrucksvoll gezeigt: Der bestehende Flutpolder im Landkreis Neuburg wurde nicht einmal geöffnet und auch weitere Donau-Polder hätten uns nicht geholfen. Stattdessen hat das Wasser von Nebenflüssen wie der Schmutter unsere Heimat überschwemmt, bevor es die Donau je erreicht hat. Was wir brauchen, ist also ein Turbo für den dezentralen Hochwasserschutz, der vielfach längst geplant, aber noch immer nicht realisiert ist. Kluge Pläne auf geduldigem Papier in der Schublade zu haben, nutzt niemanden, wenn das Wasser kommt“, so Mehring.

Sailer: „Der Schutz der Allgemeinheit muss Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen haben“

Der Katastrophenfall, der am 1. Juni ausgerufen wurde, wurde inzwischen aufgehoben und die Aufräumarbeiten sind in vollem Gange. Doch nun stellt sich vielerorts die Frage – hätte man sich nicht besser schützen können? „Dort, wo der Hochwasserschutz bereits ausgebaut wurde, hat es natürlich einen Unterschied gemacht. So haben uns beispielsweise die Rückhaltebecken in Langenneufnach und in Engelshof dabei geholfen, Zeit zu gewinnen, um mehr Menschen evakuieren zu können und mehr Häuser zu schützen. In Dinkelscherben hingegen wären die Schäden meines Erachtens mit Sicherheit geringer ausgefallen, hätte es das dort seit Jahren gewünschte Rückhaltebecken bereits gegeben“, ist sich Landrat Sailer sicher. Diese Auffassung teilen auch Edgar Kalb, Florian Mair und Bernhard Uhl, die sich diesbezüglich als Bürgermeister von Dinkelscherben, Altenmünster und Zusmarshausen in einem offenen Brief an den zuständigen Staatsminister Thorsten Glauber wenden möchten. „Uns ist bewusst, dass hier einige Landwirte pokern, aber wir müssen spätestens jetzt die Vermittlerrolle einnehmen, damit dieses Rückhaltebecken, welches bereits seit elf Jahren planfestgestellt ist, endlich gebaut wird“, betont Bernhard Uhl. Ähnlich sieht es auch Bernhard Walter aus Altenmünster: „Wir sind seit über 20 Jahren nicht in der Lage, das Rückhaltebecken in Siefenwang umzusetzen, obwohl schon Anfang der 2000er die Keller in Dinkelscherben und Altenmünster vollgelaufen sind. Jetzt müssen wir uns fragen, wie schützen wir uns in Zukunft? Wir sollten doch in der Lage sein, in einem staatlich geordneten Verfahren einen fairen Grundstückspreis festzulegen und damit ein Grundstück in den Griff bekommen, das maximal die Sicherheit der Allgemeinheit betrifft und endlich, endlich dieses Becken bauen. Hier haben wir es wieder einmal mit einer Bürokratie zu tun, die kein Mensch versteht.“

Dass ein Rückhaltebecken sehr wohl hätte helfen können, zeigt auch das Beispiel von Schwabmünchen. Denn: „Auch den Süden hat es sehr erwischt“, erläutert Lorenz Müller, „aber wir sind vielleicht auch durch das Hochwasserrückhaltebecken Holzhausen, welches es nach 25 Jahren Planung und Bauzeit nun seit zwei Monaten gibt, vergleichsweise glimpflich mit einem blauen Auge davongekommen. Dies sollte uns eine Mahnung sein, dass so etwas künftig schneller geht.“ Landrat Martin Sailer spricht sich deshalb für die schnellstmögliche Änderung der bestehenden Rechtslage aus: „Ein planfestgestelltes Hochwasser-Rückhaltebecken wie beispielsweise das in Siefenwang muss sofort gebaut werden können. Über Entschädigungen ist im Nachgang zu entscheiden. Es kann nicht sein, dass die Allgemeinheit aufgrund wirtschaftlicher Belange ungeschützt bleibt. Hier muss sich dringend etwas ändern.“ Dem stimmte auch Silvia Daßler zu: „Aktuell ist insbesondere der Eigentumserwerb für solche Projekte ein großes Problem (unabhängig davon, dass wir uns Gedanken darüber machen müssen, wie nah man künftig mit den Bebauungsplänen an die ausgewiesenen HQ100-Flächen herangeht). Leider sind Enteignungen für derartige Projekte trotz potenzieller Millionenschäden ein schwieriges Thema.“

Haushalte sollen verpflichtet werden, Öltanks entsprechend zu sichern

Einen weiteren wichtigen Punkt sprach Peter Kraus an: „Es ist wichtig, dass die Haushalte in Überschwemmungsgebieten in Zukunft dazu verpflichtet werden, ihre Öltanks zu sichern, und wir müssen das auch kontrollieren.“ In einigen Gebäuden war dies nicht der Fall, weshalb Heizöltanks ausliefen, was eine immense Umweltverschmutzung und große Schäden zur Folge hatte.

Kreisrätinnen und Kreisräte zeigen sich beeindruckt von der Leistung aller Beteiligten

Alle Mitglieder des Kreistags zeigten sich zutiefst beeindruckt von der Leistung, die alle Beteiligten im Zusammenhang mit der Bewältigung der Hochwasser-Katastrophe erbracht haben. Richard Greiner und Silvia Daßler dankten der Kreisbrandinspektion und dem gesamten Katastrophenschutz-Team des Landkreises. Für Minister Dr. Fabian Mehring war die professionelle Zusammenarbeit zwischen hauptamtlichen und ehrenamtlichen Einsatzkräften besonders beeindruckend: „Unsere heimischen Feuerwehren und die zahllosen freiwilligen Helfenden haben perfekt zusammengearbeitet und unsere Heimat mit unermüdlichem Einsatz bestmöglich beschützt.“ Zudem hob Mehring das exzellente Krisenmanagement der kommunalen Familie hervor: „Anders als damals im Ahrtal hat der Katastrophenschutz im Augsburger Land ausnahmslos klasse funktioniert. Wir wären heute in einer völlig anderen Lage, wenn die Katastrophensituation nicht so professionell abgearbeitet worden wäre. Unser Landrat und die betroffenen Bürgermeister haben einen ebenso großartigen Job gemacht wie die gesamte Blaulichtfamilie“, so Mehring. Peter Kraus hob insbesondere die Unterstützung der privaten Freiwilligen, wie der Landwirte, hervor, die nach Kräften geholfen haben, bis die Unterstützungskräfte aus dem Landkreis Bayreuth kamen: „Damit konnten wir sehr viel abarbeiten.“ „Es war einfach unglaublich, was Feuerwehren, THW und BRK geleistet haben“, betont Lorenz Müller. „Auch die Solidarität untereinander. Man hat sich gegenseitig unterstützt, ohne zu zögern.“ Maßgeblich war aus seiner Sicht auch, dass Logistik und Führung gepasst haben. „Ich möchte mich im Namen aller meiner Kolleginnen und Kollegen im Kreistag hier insbesondere bei der Führungsgruppe Katastrophenschutz des Landkreises Augsburg mit Martin Sailer an der Spitze bedanken, die Tag und Nacht im Einsatz war. Ich glaube durchaus, dass von einem Landrat, der immer vor Ort ist und unterstützt, eine gewisse Motivation ausgeht, die auch eine Rolle für die Ehrenamtlichen spielt, die sich durch diese Präsenz wertgeschätzt fühlen.“

 

Kreistag wird sich für „Gleichstellung“ ehrenamtlicher Einsatzkräfte einsetzen

Einen weiteren wichtigen Punkt sprach Fabian Wamser an: „Den Einsatzkräften wird zurecht gedankt. Aber ich möchte appellieren, dass ein solch herausragender Einsatz nur funktioniert, wenn wir auch Einsatzkräfte haben. Deshalb würde ich mir von der Landespolitik erhoffen, dass Einsatzkräfte von behördlicher Seite auch unterstützt werden und beispielsweise die Zwei-Klassen-Gesellschaft abgeschafft wird, die leider bisher besteht.“ Wamser bezog sich darauf, dass aktuell zwischen Feuerwehrleuten und beispielsweise Ehrenamtlichen im Bereich der Rettungsdienste unterschieden wird, insbesondere was Freistellungen für Fortbildungsmaßnahmen oder Übungen betrifft. „Die Staatsregierung muss hier sagen, dass jeder Helfende gleich viel wert ist“, betonte Wamser und erhielt dafür viel Zuspruch aus dem Gremium, das sich nun dafür einsetzen möchte, die Gleichstellung ehrenamtlicher Einsatzkräfte voranzutreiben.

Überdies möchte sich Landrat Martin Sailer bei allen Helferinnen und Helfern in besonderer Weise bedanken: „Wir prüfen gerade, ob wir ein Dankfest für alle Personen, die sich im Rahmen der Hochwasser-Katastrophe ehrenamtlich engagiert haben, organisieren können.“ Für die Umsetzung dieser Idee würden allerdings noch Sponsoren gesucht, die sich bei Interesse bei der Büroleiterin des Landrats, Sabrina Büchele, per E-Mail an [email protected] können.

„Zuletzt möchte ich aber nochmal unserer Kreisbrandinspektion ein herzliches Dankeschön aussprechen, die alle vor Ort im Einsatz waren und mitgeholfen haben. Es ist wohltuend, mit Christian Kannler einen Kreisbrandrat bei uns zu wissen, mit dem man vertrauensvoll zusammenarbeiten kann und mit dem man sich blind versteht“, schloss Sailer seine Ausführungen, bevor er zur regulären Tagesordnung der Kreistagssitzung überging.