Die Uniklinik Augsburg gehört zu den wenigen Kliniken in Deutschland, die mit dem kleinsten Neurostimulator der Welt arbeiten. Dieses hochmoderne Implantat hilft Menschen mit starken Schmerzen oder schwerem Zittern – so auch einem erst 20-jährigen Patienten.
Ein langer Weg zur Diagnose
Seit seiner Pubertät leidet Luca Sprauer unter einem ausgeprägten Zittern der Arme, dem sogenannten Tremor. Zum ersten Mal fällt seinen Eltern das heftige Zittern während des Abendessens auf. Es beginnt eine jahrelange Odyssee von Arzt zu Arzt im Ulmer Raum. Zahlreiche Untersuchungen folgen: Bluttests, Überprüfung der Nervenleitfähigkeit und Abklärung möglicher Nährstoffmängel. Medikamente wie Betablocker und Parkinson-Präparate zeigen keine Wirkung. Als kein Arzt mehr weiterweiß, wird Luca an die Uniklinik Augsburg überwiesen.
Dort begegnet er Dr. Rahel Müller, Spezialistin für die Tiefe Hirn-Stimulation (THS) und Oberärztin am UKA. Sie erinnert sich: „Luca litt unter einem starken Tremor, der ihn im Alltag sehr belastete. Die vielen Untersuchungen hatten keinerlei Befund erbracht, und wir stellten bei Luca erste Rückzugstendenzen im sozialen Bereich fest. Die Entscheidung für die Implantation eines Neurostimulators gab Luca eine Perspektive für sein Leben zurück.“
Der Tremor stellt nicht nur eine private, sondern auch eine berufliche Herausforderung dar. Luca absolviert eine Ausbildung zum Medizinisch-technischen Laboratoriumsassistenten (MTLA) in Ulm. Doch seine Lehrer sehen in seiner Erkrankung ein Sicherheitsrisiko – besonders, da das Zittern seine Arme und Hände betrifft. Selbst einfachste Bewegungen wie das Greifen eines vollen Bechers sind für Luca kaum möglich, ohne Flüssigkeit zu verschütten.
Modernstes Implantat mit langer Batterielaufzeit
Der Eingriff wird von Dr. Philipp Emanuel Krauss, Oberarzt der Klinik für Neurochirurgie, durchgeführt. „Der Neurostimulator ist ein Implantat, mit dessen Hilfe wir die THS bei Patientinnen und Patienten mit bestimmten Erkrankungen wie chronischen Schmerzen, Bewegungsstörungen und Depressionen anwenden können“, erklärt der Chirurg. „Das Besondere an diesem Stimulator sind seine geringe Größe und die im Vergleich zu anderen Schrittmachern deutlich längere Batterielaufzeit.“
Das Implantat des Herstellers Abbott Medical ist aktuell das kleinste auf dem Markt. Nur eine Handvoll Kliniken in Deutschland setzt es ein – darunter auch das UKA. Die Elektroden werden gezielt im Gehirn platziert und mit dem Implantat oberhalb der Brust verbunden. Über eine iPad-Verbindung lassen sich die Stromimpulse individuell einstellen – sogar aus der Ferne. Dadurch können Schmerzen gelindert oder der Tremor gestoppt werden.
Operation im Wachzustand
Die THS ist ein seit Jahren etabliertes Verfahren, doch das Implantat von Abbott Medical wird erst seit Kurzem und nur an wenigen Kliniken weltweit genutzt. Luca ist am UKA der vierte Patient, der das Liberta RC© erhält. „Es macht uns schon ein bisschen stolz, dass wir zu diesem kleinen Kreis derer gehören, die das derzeit kleinste und langlebigste THS-Implantat anbieten können“, sagt Krauss.
Der besondere Ablauf der Operation: Luca wird im Wachzustand operiert. „Um bereits während des Eingriffs die Effekte der Stimulation auf das Zittern zu testen“, erklärt Dr. Müller. Auch nach der OP wird er neurologisch weiterbetreut.
Und Luca? Der junge Mann strahlt: „Ich kann wieder schreiben, ich kann wieder trinken, ohne die Hälfte zu verschütten, und vor allem, ich werde nicht mehr angestarrt.“ Der 20-Jährige steht kurz vor dem Abschluss seiner Ausbildung zum MTLA. Sollte er die Prüfungen bestehen – und danach sieht es aus – kann er endlich in ein selbstbestimmtes Leben starten. Ohne Zittern.
